sverdimh

Kritische Blicke auf die SWMH

Alle Beschäftigten in Druckerei und Versand haben Kündigungen erhalten – Sozialtarifvertrag verhandelt

sverdimh, · Kategorien: Allgemein

Nacht für Nacht, wenn andere schlafen, stehen sie an „ihrer“ Druckmaschine, um die aktuellen Ausgaben der „Stuttgarter Zeitung“, „Stuttgarter Nachrichten“, „Kreiszeitung Böblinger Bote“ und zuletzt auch der „Eßlinger Zeitung“, „Cannstatter Zeitung“ und anderer Umlandausgaben zu drucken: die Beschäftigten der Pressehaus Stuttgart Druck GmbH und die Beschäftigten der Weiterverarbeitung (PHV Service GmbH).

Zum 31. März 2023 hat es sich allerdings ausgedruckt: Vor den Sommerferien wurde den 258 Beschäftigten der Zeitungsdruckereien in Stuttgart-Möhringen und von Bechtle Verlag&Druck in Esslingen a. N. mitgeteilt, dass beide Druckstandorte geschlossen und damit allen Beschäftigten gekündigt werden, eine Sozialauswahl findet nicht statt. Die betriebsbedingten Kündigungen sind den Stuttgarter Beschäftigten im September und Oktober zugestellt worden.

Betriebsratsvorsitzender Samir Alicic sagte bei der durchgeführten Protestkundgebung, das sei der „tiefste Schlag“ in seinen 35 Jahren in diesem Unternehmen. Harald Pürzel, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) zu der die Zeitungsgruppe Stuttgart neben der Süddeutschen Zeitung gehört, geißelt eine „asoziale Personalpolitik“, ver.di-Sekretär Uwe Kreft nennt es schlicht „eine Sauerei“. Aus Sicht des Konzerns sind die Druckhäuser zu groß, zu alt, zu teuer, und damit sei „ein Abbau von Arbeitsplätzen unabdingbar“. Die strategische Konzernausrichtung „weg vom gedruckten Papier und hin zum Digital-Abo“ tut ihr Übriges.


Den kampffreudigen Jüngern Gutenbergs habe sie ihre Jobs geklaut – ihren Stolz konnten sie ihnen nicht nehmen. Foto: Joachim E. Röttgers GRAFFITI

Zur „Beruhigung“ hat die Konzerngeschäftsführung noch mitgeteilt, dass 55 Festangestellten und ungefähr 100 Aushilfen ein Platz in einer neuen Gesellschaft angeboten werde. Sie heißt MHS Print GmbH und ist eine Tochter der Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft, die wiederum eine Tochter der SWMH ist. Die Realität dort sieht so aus: die MHS Print ist natürlich tariflos, Gekündigte können sich dort neu bewerben, sollen aber langfristig für die gleiche Arbeit bis zu 30 Prozent weniger Lohn erhalten. „Am Ende nehmen sie die“, sagt ver.di-Mann Uwe Kreft, „die bereit sind, weit unter Tarifbedingungen zu arbeiten“.

Die neue Druckerei mit einer 20 Millionen Euro teuren neuen Anlage soll auf dem Esslinger Gelände errichtet werden. Das sei ihre Zusage, verspricht Geschäftsführer Herbert Dachs, dass die gedruckte Zeitung „dauerhaft Teil unseres Medienhauses bleibt“. Das klingt wie Hohn in den Ohren der Gekündigten und Gedemütigten. Dazu passt, dass der erste Zeitungsdruck zum 1. April 2023 erfolgen soll.

In der Konsequenz wurde für die Beschäftigten der Stuttgarter Zeitungsdruckerei ein Sozialtarifvertrag verhandelt. Mehr als einmal sind die schwierigen Verhandlungen ins Stocken geraten. Dann haben die Drucker die Sache in die Hand genommen, gewohnt, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Die durch viele Streikaktionen in Tarifrunden „gestählte“ Belegschaft hat ihre jüngste Betriebsversammlung so lange ausgedehnt, bis Andruck und Auslieferung gefährdet waren. Als Ergebnis stehen „sehr gute Sozialplanbedingungen“ (Uwe Kreft) die sich sehen lassen können, sowie eine Verhandlungseinlassung für Tarifgespräche zwischen ver.di und der MHS Print zur Regelung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2025. „Somit“ resümiert Gewerkschaftssekretär Uwe Kreft „ist der Plan der Konzernspitze nach Entsorgung des Betriebsrates, der kämpferischen Belegschaft und der Tarifbindung nur teilweise aufgegangen“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*